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 Der Sprung ins Nichts (Lebenssplitter Teil 4)

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BeitragThema: Der Sprung ins Nichts (Lebenssplitter Teil 4)   Der Sprung ins Nichts (Lebenssplitter Teil 4) Icon_minitimeMo 5 Mai 2008 - 20:22

Arte nahm etwas verkohlte Asche auf und rieb sie zwischen seinen Fingern. Er führte die Finger wie ein routinierter Fährtensucher an seine Nase. Die Asche roch frisch und war noch angenehm warm. Er saß in der Hocke vor dem erloschenen Lagerfeuer von gestern abend und ließ seinen Blick nachdenklich über die grüne Anhöhe wandern. Saftiges Gras und Himmel, sonst nichts. Das Plateau war nicht besonders riesig und mit wenigen Schritten erreichte man den Abgrund. Wenn man dort hinunter sah, wechselte das helle Blau des Himmels durch die unterschiedlichsten Blautöne ins Schwarze.

Arte trat an den Rand heran und blickte buchstäblich ins Leere. Vor ihm tat sich das Nichts auf. Die Unendlichkeit des Universums gewährte ihm hier einen kleinen Einblick in seine Geheimnisse. Arte dachte an Santorin und daran, wieviele Dinge er von ihm zu hören bekam, ohne sie wirklich verstanden zu haben. Zu späteren Zeitpunkten und Begebenheiten gab es epiphanische Momente, in denen er aber ganz plötzlich eine dieser scheinbar versiegelten Botschaften des weisen Paladins begriff.

Auch in diesem Moment, in dem Arte am Abgrund stand und ins Nichts blickte, offenbarte sich ihm ein weiteres Bruchstück von Santorins Worten. Er dachte zunächst an Sancula, einen Elfen der Gilde der Sonnenwanderer, der gestern Abend genau hier ins Nichts gesprungen sein soll. Es hatte einen Streit gegeben, da dieser Sancula die Huldigung des 70.Zirkels von Deljon und Galedrien empfindlich gestört hatte. Arte trug die Hymne auf seine Gildenfreunde vor und Sancula hüpfte durch die Gäste wie ein nervöses Glühwürmchen. Von Stelle zu Stelle, ohne wirkliches Ziel und ohne erkennbare Absichten. Einige andere der Sonnenwanderer-Gilde demonstrierten schamlos Langeweile, indem sie während Artes Vortrag offen und unverhohlen gähnten.

Normalerweise stört Arte sich nicht daran. Er ist es gewohnt, seine Dichtkunst als Perlen vor die Säue zu streuen, aber an diesem Abend war es anders. Diese Elfen waren Gäste einer Zeremonie zu Ehren seiner Freunde und hatten nicht den gebührenden Respekt gegenüber der Leistung, einen 70.Zirkel zu erreichen. Es sollte für Deljon und Galedrien ein einzigartiger Augenblick werden, der hier aber von Fremden zu einem gewöhnlichen Gelage herabgefeiert wurde. Man hielt sich nicht an das Ritual und die meisten waren schon nach wenigen Minuten sturz betrunken. Das war es, was ihn ärgerte, also tat er seinen Unmut darüber kund. Das tat er gar nicht mal aggressiv oder in der Absicht einen Streit zu entfachen. Er tat einfach das, was er in den meisten Fällen tat: Er sagte, was er dachte. Er spüre eine gewisse Feindseligkeit seiner Dichtkunst gegenüber sagte er, und darum verzichte er auf weitere Darbietungen. Das war alles.

Was er damit auslöste war für ihn nicht vorher zu sehen. Es entbrannte ein Streit über das Wort Feindseligkeit. Ein Magus namens Saelthandir tat sich besonders hervor. Er war ein Gründungsmitglied der Sonnenwanderer und demonstrierte seinen unerschütterlichen Beschützerinstinkt. Vielleicht waren ihm seine Begleiter, die da betrunken und lauthals gähnend auf ihren Decken lagen, auch selbst unangenehm. Aber als Anführer tat er, was er tun musste: er stellte sich vor seine Leute. Da es hier nur um Wortdrechselei ging, war es eine schwierige Ausgangssituation für ihn, um das Bild in einem von ihm inszenierten Streit wieder zurecht zu rücken, doch er nutzte diese Chance clever und konsequent.

Er ging Arte an und unterstellte den Worten Artes, eine anmaßende Beleidigung der Sonnenwanderer zu sein. Er hatte Erfolg. Alle Anwesenden gerieten in einen mächtigen Streit, in dem am Ende schon keiner mehr wusste oder wissen wollte, um was es eigentlich wirklich ging. Eine richtige Massenkeilerei. In der Hoffnung, als Stein des Anstoßes die Situation auch wieder beruhigen zu können, beschloss Arte, das Treffen zu verlassen. Er verabschiedete sich mit der formulierten Absicht, den weiteren gemeinsamen Zielen beider Gilden nicht im Weg stehen zu wollen.Er bat freundlich um Entschuldigung, rieb an seinem Teleportationsstein und verschwand.

Leider brachte das nicht den gewünschten Erfolg. Man scherte sich gar nicht mehr um Arte und drosch munter weiter aufeinander ein. Was dann weiter geschah, musste Arte am folgenden Tag aus verschiedenen, teils widersprüchlichen Erzählungen rekonstruieren. Nur soviel stand fest: Sancula, der betrunkene Störenfried, wählte an diesem Abend den Freitod und sprang in den Abgrund. Es geschah hier an der Stelle, an der Arte jetzt stand, hinunter blickte ins Nichts und an die Worte Santorins dachte: „Unsere Körper erhalten ihr Leben aus dem Nichts. Dass etwas existiert, wo nichts ist, ist die Bedeutung des Satzes „Form ist Leere“. Dass alle Dinge aus dem Nichts erschaffen werden, ist in dem Satz „Leere ist Form“ zusammengefasst. Man sollte nicht denken, diese Dinge wären verschieden.“

Sanculas Form kehrte buchstäblich zurück in die Leere, aus der er erschienen war. Arte begann leise zu sprechen. Er schickte der sterbenden Hülle Sanculas folgende Worte hinterher, die in diesem Moment fast schon mechanisch über seine Lippen kamen:“Seltsamerweise gestatten die Götter jedem Blutelfen, sein Leben auf die eine oder andere Art zu vergeuden. Der Weg des Kriegers ist die tägliche Auseinandersetzung mit dem Tod. Tag für Tag denkt er daran, wann und wo er sterben wird und wie er einen ruhmvollen Tod finden kann. Du Sancula, hast dich der Verantwortung des Kriegers entzogen und deine Gefolgsleute im Stich gelassen. Wenn es ein Opfer war, so bitte die Götter darum, deinen Freunden ein Zeichen zu geben, so dass sie dich in guter Erinnerung behalten. Doch wenn es verzweifelte Feigheit war, mögen die Götter dir verzeihen und deiner Seele gnädig sein.“ Arte warf die Asche, die er noch zwischen seinen Fingern hielt, ins Nichts, wendete sich um und verließ diesen Ort mit der Gewissheit niemals hierher zurück zu kehren.
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